Ein Kind des Mittelstands – Einer von Ihnen!

Herr Krings, was hat Sie zu dem gemacht, der Sie heute sind?

Die Tatsache, dass ich als Unternehmer und als 5. Generation einer alteingesessenen Unternehmerfamilie alles miterlebt habe, was man sich nur vorstellen kann: von internationaler Expansion und einem Leben als Top Manager bis hin zum absoluten Albtraum eines Kampfs ums Überleben.

Das klingt sehr hart – was ist passiert?

Ich habe bereits als junger Mann meine Freizeit genutzt, um in der Fabrik meines Vaters zu arbeiten und Geld zu verdienen. Als Student baute ich eine Zucht von ostafrikanischen Buntbarschen auf und exportiere diese unter anderem nach Japan. Dieses Geschäft war so erfolgreich, dass meine Kunden damals jedes Wochenende in meinem Keller Schlange standen. Auf diese Weise konnte ich mein erstes neues Auto finanzieren. Im Unternehmen meines Vaters bin ich nach meinem Studium sehr schnell zum Geschäftsführer aufgestiegen. Aus dem Geschäft, das sich mit der Produktion und dem Handel von Knöpfen und anderen Teilen für die Bekleidungsindustrie beschäftigt hat, habe ich aus einem 45-Mitarbeiter-Betrieb durch meine verstärkte Vertriebsaktivität, in kürzester Zeit eine Firma mit 100 Angestellten gemacht, obwohl der Markt längst rückläufig war. Ich wollte mehr – vor allen Dingen was Eigenes: Ich wollte nicht »nur« erben, sondern auch etwas Eigenes aufbauen. 1991 gründete ich meine zweite eigene Firma, eine Knopffabrik in Thüringen, mit dem Ziel, ins Ausland zu exportieren. Ich habe mir in Amerika einen sehr großen Kundenstamm aufgebaut, hatte ein Büro in Hong Kong für das asiatische Geschäft, eine Agentur in New York, war in Indien, Thailand und Indonesien unterwegs, um für mein Fernost-Geschäft Produzenten zu finden. Dasselbe in der Türkei. In einem Betrieb in Ecuador arbeiteten alleine über 200 Menschen nur für meine Unternehmen als Zulieferer. Für die osteuropäische Bekleidungsindustrie habe ich eine Firma in Rumänien gegründet – Grundstück gesucht, Blaumann angezogen und Produktion aufgebaut. Ich war rund um den Globus unterwegs und irgendwann einfach nur ausgebrannt. Mit Ende 30 zog mein Arzt die Notbremse. Dieses Leben auf der Überholspur und der ständige Kampf mit den Auswirkungen der Globalisierung auf die Bekleidungsindustrie machte mich kaputt. Aber auch Begebenheiten wie der Todesfall einer meiner engsten Mitarbeiter, der bei einer Explosion zu Tode gekommen ist, oder die Morddrohung eines ehemaligen Mitarbeiters gegen mich und meine Familie, setzten mir gehörig zu. Ich hatte eine sehr schwere Entscheidung getroffen: Ich musste raus aus der Branche. Ich ackerte in einer nun sterbenden Branche, denn Bekleidung wurde mittlerweile fast vollständig in Asien produziert. Die Herstellung meiner Produkte in Niedriglohnländern, um sie anschließend in Deutschland zu verkaufen, war dadurch nicht möglich. In Deutschland näht niemand mehr Knöpfe an. Es sollte also keine 6. Generation mehr geben. Lediglich den Traditionsstandort meiner Familie wollte ich erhalten. Für den Rückbau gab ich mir zwei Jahre Zeit. Die 100 Mitarbeiter wurden mithilfe von Sozialplänen und zig Verhandlungsstunden mit der Gewerkschaft auf 20 reduziert. 2002 suchte ich dann nach einem Geschäftsführer, der dann meinen Job übernommen hat. Ich hatte mein elterliches Unternehmen übergeben. Beteiligungen wurden verkauft, von den weiteren Unternehmen und Partnerschaften habe ich mich getrennt. Während dieser Zeit der Entscheidungsphase brachte der 11. September 2001 dann den Untergang meiner Firma in Thüringen, denn zwei meiner größten Kunden hatten ihre Buchhaltung in einem der beiden Türme in New York. Deren Zahlungsrückstand belief sich auf ein paar Hunderttausend Dollar. Mit dem zusätzlichen Druck aus Asien war das für mich als Mittelständler dann zu viel. Die folgenden drei Jahre waren der Kampf meines Lebens, den ich leider verloren habe. 2004 ging meine Firma in Thüringen insolvent.

Wie ging es dann weiter?

Einige Millionen waren verloren, statt sie auf dem Konto zu haben. Ich war Anfang 40 und musste meine Familie ernähren. Ich brauchte schnell Geld. Viel Geld, denn die Bank saß mir im Nacken. Somit war ich offen für Neues. Ich entschied mich einem Angebot zu folgen und den Vertrieb eines international tätigen Konzerns mit aufzubauen. Das tat ich auf selbständiger Basis. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Nach zwei Jahren hatte ich eine Vertriebsorganisation mit über 1.500 Vertriebspartnern.

Was haben Sie aus dieser Zeit mitnehmen können?

Das war die im Nachhinein wertvollste Erfahrung in meinem Leben. Ich musste lernen, wie ich Menschen, die mir nicht disziplinarisch unterstellt waren, zum Erfolg führen kann. Ich musste meine Fähigkeiten im Bereich Führung extrem weiter entwickeln. Dennoch musste ich die Erfahrung machen, dass man nicht jeden Menschen zum Erfolg führen kann. Das hat mich geärgert, denn jeder hatte die gleiche Chance. Zu diesem Zeitpunkt begann ich mich mit der Frage zu beschäftigen „Was macht Menschen erfolgreich?“. Ich kam zu dem Schluss: „Erfolg entsteht zwischen den Ohren!“ Um herauszufinden, ob diese Erkenntnis für andere interessant ist, hatte ich die Idee, ein erstes Seminar zum Thema Persönlichkeitsentwicklung anzubieten. Mit 100 Teilnehmern hatte ich gerechnet, am Ende saßen 850 im Raum. Die Feedbackbögen bestätigten mir: Das wird mein Weg! Ich machte weiter, startete mit dem Erweitern meiner Kompetenzen zunächst mit einer 6-monatigen Coaching-Ausbildung und vor ein paar Jahren mit einer zusätzlichen Ausbildung zum systemischen Mastercoach (ECA), um die nötige Methodenkompetenz für die Arbeit mit meinen Kunden zu erlangen. Auch heute bilde ich mich regelmäßig weiter – insbesondere in neurowissenschaftlichen Themen (wenn Sie 100 Mitarbeiter führen, führen Sie 100 Gehirne). Seit über 10 Jahren gebe ich mein umfangreiches Wissen und meine langjährige Erfahrung in allen Lebens- und Karrierelagen an andere Unternehmen, Unternehmer und Führungskräfte als Interimsmanager, stellvertretender Geschäftsführer, Projektleiter, Personalmanager, Trainer und Coach weiter.

Was steht für Sie hinter all dem?

Lerne aus der Vergangenheit, aber verweile gedanklich nicht in ihr. Nur im Hier und Jetzt kannst du deine Zukunft gestalten! Was mich immer angetrieben hat, ist mein Credo: Das Leben geht nur dann weiter, wenn ich weitergehe. Und ich gehe weiter. Immer. Genau das vermittle ich auch den Menschen, die mit mir arbeiten wollen. Ich verändere mit ihnen zusammen auch deren Spiel. Das ist meine Story, die mich zum Game Changer macht.