„Nachfolge heißt nicht, den Thron zu räumen. Nachfolge heißt, das Königreich zu sichern.“
Der Staffelstab, der klebt
Manche Familienunternehmen gleichen einem Staffelrennen, bei dem beide Läufer den Stab nicht loslassen wollen. Der Senior klammert, der Junior zögert – und am Ende stolpern beide.
Das Publikum? Mitarbeiter, Kunden, Banken – sie sehen zu, wie das Rennen ins Chaos läuft.
„Das machen wir irgendwann.“
Irgendwann, wenn der Vater bereit ist. Irgendwann, wenn die Kinder soweit sind. Irgendwann, wenn das Unternehmen „noch ein bisschen stabiler“ läuft.
Doch das Problem ist: Der Markt wartet nicht. Die Konkurrenz schon gar nicht.
Warum das Drama so vorhersehbar ist
Nachfolge ist kein juristischer Akt – sie ist ein emotionaler Ausnahmezustand. Und weil Emotionen in Unternehmerfamilien gern unter den Teppich gekehrt werden, scheitern laut
IfM Bonn rund 70 % aller Übergaben.
Nicht wegen der Steuer. Nicht wegen der Verträge. Sondern wegen verletzter Egos, unausgesprochener Erwartungen und fehlender Klarheit.
„Wir verstehen uns doch gut, das regeln wir schon.“
Nachfolge ist Beziehungsarbeit. Nur redet kaum jemand darüber.
Die Harvard Business Review nennt das „The Hidden Family Dynamic“ – die unsichtbare Macht emotionaler Bindungen, die strategische Entscheidungen lähmt.
Wenn Werte zur Waffe werden
In Seminaren, auf Messen, in Hochglanzbroschüren ist oft die Rede von „Werteweitergabe“, „Vertrauen“ und „Zukunftssicherung“. Klingt großartig – nur sieht die Realität oft anders aus:
- Misstrauen statt Vertrauen
- Werte als Waffe statt als Verbindung
- Zukunft als Bedrohung statt als Chance
Ich kenne Unternehmer, die lieber eine neue Produktionshalle bauen, als mit ihren Kindern über Nachfolge zu reden. Weil Beton sich einfacher anfühlt als Emotion.
Wenn Kontrolle zur Erbkrankheit wird
Ein Beispiel aus der Praxis:
Ein erfolgreicher Mittelständler, Anfang achtzig. Der Sohn führt das operative Geschäft, die Tochter Finanzen und HR. Doch jeden Morgen kommt der Senior ins Büro – auf seinem Parkplatz, in sein Büro, stellt seine Fragen.
Alles ist da: Vertrauen, Stolz – und Kontrolle.
Wie eine Untersuchung der WirtschaftsWoche zeigt, droht rund 100 000 Mittelständlern in Deutschland genau dieses Szenario: Der Gründer will nicht loslassen – und das Unternehmen verliert an Innovationskraft.
Offiziell übergeben – aber nicht wirklich losgelassen
Eine Tochter übernimmt den Familienbetrieb – offiziell. Doch der Vater mischt weiter mit, kommentiert jede Entscheidung, lobt nur, wenn es nach ihm läuft. Das Ergebnis: Zwei Chefs, kein Kurs.
Machtvakuum. Stillstand. Demotivation. Nachfolge ist kein einmaliger Akt – sie ist ein Prozess über Jahre.
Wie es besser geht
a) Reden, bevor Sie regeln
Bevor Sie mit Notaren, Steuerberatern und Anwälten sprechen, sollten Sie miteinander sprechen. Wann haben Sie zuletzt wirklich über Erwartungen, Wünsche und Grenzen gesprochen – nicht über Zahlen, sondern über Gefühle?
- „Ich habe Angst, dass du alles änderst, was ich aufgebaut habe.“
- „Ich habe Angst, nie anerkannt zu werden, solange du da bist.“
- „Ich will führen, aber nicht dein Leben leben.“
b) Verantwortung statt Macht
Viele Übergaben scheitern, weil die ältere Generation Macht mit Verantwortung verwechselt.
- Macht fragt: „Wer entscheidet?“
- Verantwortung fragt: „Wer trägt die Folgen?“
Die Gallup-Studie 2025 zeigt: Nur 18 % der KMU haben einen klaren Nachfolgeplan – und weniger als die Hälfte setzen ihn emotional intelligent um. Der entscheidende Erfolgsfaktor heißt: Vertrauen, nicht Kontrolle.
c) Begleitung statt Belehrung
Eine gute Nachfolgeberatung ist kein Kaffeekränzchen. Sie konfrontiert, strukturiert und hält den Spiegel vor. „Nachfolge ist kein Stabwechsel – es ist ein Rollenwechsel.“
Der Senior wird vom Entscheider zum Mentor. Der Junior vom Mitläufer zum Gestalter. Denn es geht weniger um Besitz – sondern um Bedeutung.
d) Früh anfangen – wirklich früh
Nachfolgeplanung beginnt nicht mit dem Ruhestand, sondern mit der ersten Führungsverantwortung der nächsten Generation. Wer früh Verantwortung übergibt, schafft Lernfelder statt Drucksituationen.
e) Externe Perspektive nutzen
Familie ist ein wunderbarer, aber gefährlicher Ort. Ein externer Berater schafft Distanz, die Nähe ermöglicht.
„Successful family transitions are less about inheritance – and more about earned trust.“
(Harvard Business Review)
Reflexion – Die unbequeme Wahrheit
Viele Unternehmer reden lieber über Strategie, Wachstum und Marktanteile – aber nicht über Nachfolge. Doch genau das ist der Prüfstein wahrer Führung: Bin ich bereit, mein Werk loszulassen, damit es weiterleben kann – auch ohne mich?
In Familienunternehmen ist das doppelt schwer, weil das Unternehmen Teil der Identität ist. Doch wer loslässt, verliert nicht – er vererbt Wirksamkeit.
Was bleibt
Wenn Sie morgen loslassen müssten – wäre Ihr Unternehmen bereit? Oder hängt alles an Ihnen, Ihrem Wissen, Ihrer Energie?
Nachfolge ist kein Projekt für später. Sie ist der Lackmustest Ihrer Führung.
Wer nie gelernt hat, Verantwortung zu teilen, wird auch nie loslassen können. Und wer nicht loslässt, verliert am Ende beides: Firma und Familie.
Bleiben Sie wirksam – nicht unersetzlich.

Thomas Krings – Game Changer
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